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“LEUTE MIT EIGENEN TRACKS NERVEN" - INTERVIEW MIT TITLE & UNVRS (PATHFINDER, CZ)

[November 2019, Berlin-Ústí-Praha] Am 15. November werden wir im Lauschangriff gleich zwei durchaus nennenswerte Ereignisse feiern! Fünf Jahre Bestehen unserer Partyreihe und das neue Release auf dem Label Pathfinder (CZ). Es kommen endlich zwei ältere Tracks “from the vaults” raus - nachdenklicher halfstep Stomper “As You Can Hear” von Title und das analytische techy Bauwerk “Vacuum”, das UNVRS unter seinem anderen Künstlernamen NA veröffentlicht. Bei dieser Gelegenheit hab ich die zwei zu dem neuen Release und allem rund um die Musik und das Label ausgefragt.

UNVRS und Title spielen mit uns am 15/11/2019 @ Lauschangriff - FB event


Foto: ➥ Jan Volejníček

Seid ihr zu der Musikproduktion über Drum’n’Bass gekommen? Was kam als Erstes, Lust aufzulegen oder der Drang eigener Beats zu produzieren? Was waren die Impulse, die eine entscheidende Rolle für euch gespeilt haben?

UNVRS: Genau. Was mich völlig hingerissen hat, waren die Moving Shadow Promo Mixes. Sie waren es, was mich dazu geführt hat, mit dem Auflegen anzufangen. Kurz darauf folgten die ersten eigenen Produktionsverusche. Zu den entscheidenden Impulsen zählte jedenfalls Musik von Künstlern wie Dom & Roland, Phace, Noisia, Vicious Circle, Sunchase, Misanthrop, Corrupt Souls, etc...



TITLE: Mein Weg zur Produktion führte über Techno und Trance. Damals hab ich mir nachts die Live-Übertragungen von Festivals wie Creamfields und Summer of Love auf Casette aufgenommen. Mit Freunden sind wir dann ab 2005 zu verschiedenen Veranstaltungen in Industriehallen und auf Festivals gefahren. Die Atmosphere auf den Parties hat mich fasziniert. Laute Musik, Tanz, dass man dieses Erlebnis mit den anderen Leuten teilt. Zu der Zeit hatte ich XMAG-Abo, wo ich zum ersten mal über das Programm Live von Ableton gelesen hab.
Damals war mir schon klar, dass ich selber hinter dem DJ-Pult stehen und eigene Energie und Ideen teilen möchte. Die ersten Songs waren von Genre her nicht einzuordnen, melodische Kompositionen ohne Einsatz von Eqaulizer. Paradoxerweise hat es nichts mit Tanzmusik zu tun gehabt. Ich hatte keine Ahnung, wie solche Musik entsteht. Drum’n’bass kam dann kurz darauf auf mich zu. Die Düsterkeit und der den Körper durchdrigende Sub-Bass haben mich sofort gefangen. Phace, Teebee, Noisia, State of Mind, das sind Namen, die dafür können, dass ich Drum’n’Bass verfallen bin. Bald hab ich dann gute Menschen kennengelernt (UNVRS, Starto, Waclosch), mit denen ich mich über Produktion austauschen konnte.

Woran arbeitet ihr gerade? Gab's in der letzten Zeit welche neue Entdeckungen, Impusle, neue Produktionsmethoden, Inspirationen, Veränderungen in euerer Herangehensweise?

Title: Es ist ein ständiger Wandel. Mal ein bisschen Stabilität wäre eigentlich gar nicht verkehrt. Positv hat sich der Umzug aus Prag nach Ustí (Kleinstadt im Norden Tschechiens, Bemerkung Blasted) ausgewirkt. Seitdem verbringe ich im Studio viel mehr Zeit als je zuvor.
Die wichtigste Entwicklung, die schon seit längerer Zeit stattfindet, ist allerdings die Befreiung der Kreativität. Ich versuche zu experimentieren und nicht an unsinnigen Regeln zu hängen, die ich mir währden der Jahre angeiegnet habe. Denn heute fesseln sie mich nur und führen mich zu generischen Ergebnissen.

UNVRS: Ich hab jetzt mehere Wochen mit der Fertigstellung meines neuen "Detach EP" verbracht, das bei Pathfinder erscheinen wird. Ansonsten hab ich gerade sehr wenig Zeit für Produktion. Um so mehr wollte ich eben dieses EP fertig haben, um wieder Motivation zu kriegen, was neues anzufangen. Entdeckungen gibts, sei es Inspiration vom Musikhören, oder Rumspielen mit Synths / Grovebooxen. Und ein großer Impuls für mich ist auch Bitwig und sein Modular.

Könnt ihr das Label Pathfinder vorstellen? Wie kam zu seiner Gründung?

UNVRS: Über Gründung vom eigenem Zuhause für unsere Tracks hatten wir, schon seit einer Weile nachgedacht. Aus meiner Sicht wurde dazu der Grundstein am Collab-WE in Horní Police gelegt. Währen eines Erfrischungsspaziergangs zwischen den Sessions im Studio. Da haben wir formuliert was und warum, Vojta kam sofort mit dem Namen und gleich kam auch die Idee Vesly (der Label-Manager/Boss) dazu zu holen. Ein der Hauptgründe eigene Marke zu gründen war die kreative Freiheit.

Title: Ich finde, dass wir mir Jirka sehr viel gemeinsam haben, unter anderem, dass wir nur ungern mit unsereren Tracks-Versuchen andere Leute zu nerven. Ich würde mir wünschen, dass der “Popularisierungsprozess” so stattfinden würde, dass sich Leute unsere Tracks selber finden. Nicht, dass wir die Musik potentiellen Labels anbieten müssen. Durch die Gründung des Labels haben wir jede Menge Fragen und Probleme gelöst. Es ist ein Raum für alles, was wir gerade machen. Gelegentlich werden wir diesen Raum gerne auch mit anderen, ähnlich gesinnten Produzenten teilen.





Das erste Single auf Pathfinder

Hat sich eure Produktionsherangehensweise geändert, seitdem ihr eueren eigenen Veröffentlichungskanal habt?

UNVRS: Die Verantwortung fühlt sich größer an. Man veruscht es richtig und besser zu machen. Trax lassen wir professionel von Lukas (Snapmastering) mastern. Schon das hebt die Sache auf ein neues Level. Ansonsten ist es toll zu wissen, dass wir auch größere Experimente unter unserem Dach unterbringen können.

TITLE: Wenn ich heute an einem Track arbeite, weiß ich, dass ich ihn für Pathfinder mache. Das geht definitiv mit Verantwortung und auch größerer Motivation und Freude einher. Früher war die einzige sichere Zukunft für meine Tracks die Schublade meines Tisches.



Am Tag der Party im Lauschi kommt ein neues Single raus - eigentlich zwei ältere Tracks. Könnt ihr sagen, wie die Tracks entstanden sind? Und was für ein Gefühl ist es, Musik, die schon seit ein paar Jahren fertig ist, zu publizieren?

UNVRS: Genau so stelle ich mir Enthüllung einer Mumie aus dem verstaubten Sarkophag vor :D Der Track ist eigentlich schon Geschichte für mich, hab den um 2015 geschrieben. Anderseits macht’s spaß und ich muss zugeben, dass ich echt überrascht war, als ich den Master gehört hab.

TITLE: As You Can Hear ist vor 3 oder 4 Jahren entstanden. Es war der allerletzte Track, dessen Sounds ich auf dem Computer kreirt hab. Alles danach entstand schon mit Virus und anderem Hardware. Gleichzeitig war es der erste Track, den ich in der Zeit gemacht hab, als es mir bewusst wurde, dass ich eigentlich Musik von jemand anderem mache und ich mich endlich entspannen und einfach nur das machen muss, was ich selber will, ohne Angst zu haben, wie es jemand Anderem gefallen wird. Es war ein Umbruchsmoment für mich, ich bin damals endlich die Idee losgeworden, dass meine Musik mit Musik anderer Produzenten im Wettbewerb steht. AYCH hab ich nach mehr als einem Jahr jetzt zum ersten Mal gehört, als mir Lukas den Master geschickt hat. Ich hab keine Beziehung dazu. Bei den älteren Sachen hört man, was man falsch gemacht hat. Der Zeitabstand ermöglicht es mir, es nicht so ernst zu nehmen, deswegen stört mich es nicht, dass wir das jetzt rausbringen. Der Track hätte vor ein paar Jahren bei Eternia rauskommen sollen, das hat sich dann aber in Luf aufgelöst. Ich muss Intax anschreiben und ihm sagen, dass wir es jetzt bei uns publizieren. :D

Das Label profiliert sich als eine für verschiede Genres offene Plattform. Im Allgeeinen sieht man drum’n’bass allerdings eher auf Labels rauskommen, die de facto keine andere Musik rausbringen. Der Graben zwischen DnB und “non-DnB” schient sich weiterhin nur zu vertiefen… wie steht ihr dazu?

UNVRS: Generell hab ich das Gefühl, dass strikte Profilierung - egal ob für einen Künstler oder ein Label, weniger verwirrend wirkt und kann für etwaige Karriere besser funktionieren? DnB ist vielleicht eher so eine Art Insel. Aber das ist doch in Ordnung, oder? Ich weiß nicht :)

Title: Für mich stellt die Brücke zwischen DnB und anderer “geraden” Elektronik der Half-Step dar. Über diese Brücke kann ich dann von einer auf die andere Seite rüberkommen, je nach aktueller Verfassung. Aber klar, den Graben nehme ich auch wahr.

Verfolgt ihr, was auf der dnb-Szene gerade passiert? Holt ihr euch aktiv Inspiration, oder haltet ihr euch eher “in Isolation”?

Title: Nachdem ich vor fünf Jahren zu arbeiten angefangen habe, hab ich langsam den Überblick verloren. Wenn ich nachmittags nach Hause kam und Zeit für mich hatte, hab ich sie liber meiner eigenen Musik gewidmet, als Tracks von jemand anderem zu hören. Infolgedessen hab ich dann natürlich auch weniger aufgelegt. Produktion ist dann zu der absoluten Priorität geworden. Ich glaube, “Isolation” wirkt sich auf meine eigene Produktion positiv aus. Die Grenze zwischen Inspiration und Kopieren kommt mir gefährlich dünn vor.

UNVRS: Ich hängte noch vor ein paar Jahren ständig auf Chemical Records, RedEye etc. Und hab versucht perfekten Überblick zu bewahren und kaufte Scheiben ein. Damit ist Schluss, ich versuch die Shops gar nicht zu checken, um weitere Einkäufe zu verhindern :D. Die Platten passen hier gar nicht mehr rein, außerdem leg ich auch nicht mehr so oft auf. Ansonsten höre ich alles von elektronischer Musik über Funk, Jazz, Soundtracks, Techno etc. Im Grunde höre ich fast jeden ganzen Tag Musik auf der Arbeit.

Was habt ihr denn vor in Berlin zu spielen? Dürfen wir uns auf Dubplates freuen, oder bringt ihr eher die guten alten Bretter mit?

UNVRS: Ich bin auf meine Vinyls angewiesen - und kauf keine neue ein, meinerseits werden es also die alten (hoffentlich :)) guten Bretter sein.

Title:. ich spiele meine eigenen Tracks eher wenig. Mal schauen, ob ich noch was fertig kriege, woran ich jetzt arbeite. Je nach Atmosphere, werden wir schon im Klub schauen :D.



text: agem

➥ Pathfinder @Bandcamp
➥ Pathfinder @FB



Pathfinder Collective zu Gast bei Blasted am Freitag 15/11/2019 @ Lauschangriff
➥ Facebook event
➥ Resident Advisor event





“SINUSKURVE FAHREN" - VERY UNIMPORTANT PEOPLE CRU (DE)

[April 2019, Berlin] DJs Rodeo, Trixter, Swat und Rollin MC. Das ist die Berliner Drum’n’Bass-Crew Very Unimportant People. Aktiv seit Anfang der 2000er, mit einer Reihe von Veranstaltungen in Locations wie Studio 54 im Tacheles, Magnet – und in den letzten Jahren vor allem die Panke, gehört die VUP Cru zu den am längsten tätigen Drum’n’bass Veranstaltern und DJs/MCs in Berlin. „Drum’n’bass fürs Ohr“ heißt der Untertitel ihrer Flaggschiff-Partyreihe Klanggut. Die hat sich über die Jahre mit Bookings wie Commix oder Skeptical als die Berliner Party für den “smarten” Drum’n’Bass etabliert. Ob deepe Roller, melodische Nummern oder was Härteres, es ist die musikalische Vielfältigkeit und der positive Vibe auf dem Dancefloor, die im Fokus der VUP Cru stehen. Am 27. April 2019 wird die gesamte Crew zu Gast bei Blasted sein. Ich treffe mich mit Rodeo, Swat und Trixter in der alten Kreuzberger Bar Mysliwska, um über die fast zwanzigjährige Geschichte der Crew, ihre musikalische Entwicklung und ihre Zukunftspläne zu sprechen.

VUP cru zu Gast bei Blasted am Samstag 27/4/2019 @ Lauschangriff
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➥ VUP Cru @ Facebook

ANFANG 2000ER: JUGENDKLUB IN BLANKENFELDE UND DER TECHNO SUMPF DA DRAUSSEN.


Blasted: Very Unimportant People Crew, könnt ihr das Projekt ein Bisschen vorstellen? Wer seid ihr?

Rodeo: Also in erster Linie ist VUP erst mal ein großer Freundeskreis, der schon seit Schulzeiten besteht. Wir haben uns irgendwann diesen Namen verpasst, das hatte erstmal nichts mit Musik zu tun. Swat und ich sind dann allmählich auf diesen DJ-Zug gekommen und es hat sich über die Jahre so etabliert, dass die Drum’n’bass Crew im Freundeskreis auch unter dem Namen VUP auftreten und Parties veranstalten.


Blasted: Wie und wann ging das dann also bei VUP mit der Musik los?

Rodeo: Sören und ich haben uns so 2001 Turntables geholt. Damals haben wir aber noch außerhalb Berlins gewohnt und hatten dementsprechend auch noch keinen Szenezugang. Wir waren auch noch in der Schule. Es gab bei uns aber den Jugendklub, der einen ziemlich frischen Leiter hatte. Da haben wir so kleine erste Parties gemacht: VUP Party im Jugendclub.

Swat: Wir haben super zusammengearbeitet, konnten das regelmäßig wiederholen, so dass wir uns im Ort, wo wir gewohnt haben, und vielleicht zwei drei Dörfer weiter schon ein bisschen einen Namen machen konnten.

Trixter: Ich bin erst etwas später dazugestoßen, als die Jungs im Jugendklub schon Parties gemacht haben. Die Mucke hat mir sehr zugesagt, weil dieser ganze Techno-Sumpf da draußen schon irgendwie unbefriedigend war. Die Jungs waren immer am Freitag am Start und dann hab ich mich halt mal dazugestellt und irgendwann konnte ich mitmixen und irgendwann war ich ein Teil der Crew - hab mich da so peu a peu reingemixt sozusagen.

Swat: Zum Freundeskreis gehören auch Rollin MC und MC Do. Die beiden waren 2001, als wir mit DJing angefangen haben, sehr aktiv im Beatboxing. Und wir meinten dann immer, dann macht ihr doch MC. Und sie sind dann tatsächlich irgendwann unsere MCs geworden.


Eine der VUP-Parties "Klanggut" im Studio 54 im damaligen Tacheles. 2010

Blasted: Dieser Jugendklub scheint eine wesentliche Rolle gespielt zu haben für die Crewbildung und sonst das kulturelle Leben in der Gegend...?

Trixter: Das hat wirklich eine ganz zentrale Rolle gespielt, weil der Jugendklubleiter echt darauf geachtet hatte, uns permanent zu beschäftigen. Du musst dir halt vorstellen, da sind so 14- 15- 16-jährige mit Flausen im Kopf, die irgendeine Scheiße bauen wollen, und er hat alles mögliche organisiert: Leinwände zum Sprühen und Malen, irgendwelche Motorradbauprojekte, irgendwelche anderen Kunstprojekte oder Beatboxprojekte von der Kreuzberger Musikalischen Aktion - das ist auch so ein großer Jugendklub gewesen. Es gab da eine Kooperation, da ist dann der DJ Incognito nach Blankenfelde gekommen, hat uns das Scratchen beigebracht, und so ein bisschen Angleichen. Irgendwelche Beatboxer waren da, irgendwelche Sprüher, so wirklich bekannte Leute. Gunnar - so hieß der Jugendklubleiter - hat uns das alles klargemacht, damit wir uns da kreativ austoben können. Der hat das alles ermöglicht.

Swat: Man wusste, dass er cool ist, aber wenn man das Jahre später nochmal so Revue passieren lässt - der Mann war echt Spitze als Klubleiter.


DIE BEGEGNUNG MIT DRUM'N'BASS


Blasted: Was gab’s da musikalisch für Einstiegsmomente, gab es da was Bestimmtes, das den Anstoß gab? Wie seid ihr damals an die Musik rangekommen?

Swat: Ganz wichtig war ein Metalheadz Album, das irgendwann bei uns im Freundeskreis aufgetaucht ist, das war Platinum Breakz eins oder zwei. Und ich konnte es in dem Moment überhaupt nicht cool finden, ich hab es zum ersten mal gehört und dachte: Äh, komisch. Und dann kam halt die TFA Crew ins Spiel. Sie kamen auch aus der Umgebung, waren ein paar Jahre älter als wir und haben damals noch in diesem Klub Suburb Parties gemacht. Da kam es auch zu der Wortschöpfung “das Urtape” — wir hatten eine Kassette von denen, die wir wirklich jahrelang gefeiert haben. Musikalisch ging es eher Richtung Jump Up und Tech Step, was mir erstmal besser reinging als die Metalheadz. Und kurz davor haben wir eine CD von E.Decay aus Mannheim gefunden, U3R, Lost in Bass 2, und die hat quasi den Weg geebnet, um dieses TFA Urtape zu feiern.

Rodeo: Die TFA Crew war auf jeden Fall ein wesentlicher Aspekt, weil die eben auch Drum’n’bass gemacht haben, und bei uns in der Gegend war natürlich Techno das non plus ultra. Sie haben uns sozusagen gezeigt, da gibt es auch noch was anderes, was im Club funktioniert.

Swat:Wir wollten uns da schon klar abgrenzen, weil, was sonst musikalisch bei uns geboten wurde, hat uns nicht wirklich gefallen. Und deswegen haben wir was anderes gesucht, und haben im Drum’n’bass quasi die Erfüllung gefunden.


Blasted: Und was war mit Berlin? Wart ihr auch dort auf Parties unterwegs?

Swat: Das ist natürlich ein wichtiger Punkt gewesen. Wir waren regelmäßig im Roten Salon, wir waren gefühlt jedes Wochenende im Icon bei Recycle, und bei Hard:Edged im WMF. Der Karneval der Kulturen war damals auch noch viel geiler, da gab’s auch Drum’n’bass, da war die Hard:Edged Crew mit ihrem Wagen.

Rodeo: Ja also Recycle und Hard:Edged müssen wir auf jeden Fall Props geben. Ich weiß noch wie wir mal bei Recycle waren und Alley Cat spielte und da haben wir schon mit dem Gedanken gespielt, ob wir uns nicht Turntables kaufen wollen und da weiß ich noch, dass ich dann, anstatt zu tanzen, ganz vorne stand und geguckt hab, was sie da eigentlich macht.

Swat: Ich konnte nie verstehen warum er immer nur guckt. Dabei er hat sich schon die ganzen Kniffe abgeguckt, hier drehen, da anfassen, yeah…


DER VERY UNIMPORTANT SOUND


Blasted: Wo steht ihr gerade musikalisch? Gibt es sowas wie den VUP Sound?

Rodeo: Die Anfänge haben wir schon ein bisschen angesprochen. Metalheadz war ganz wichtig, auch wenn ich es damals gar nicht so sehr im Klubkontext gesehen hab. Das war dann schon noch mal ein anderer Sound, den wir später durchs Icon, durch Recycle, kennengelernt haben. Dort war es nicht ganz so junglig, sondern eher straighter Drum’n’bass. Für mich war aber auf jeden Fall auch sehr wichtig, diese Good Looking Nummer mitzunehmen und echt bedeutend war für mich auch Kruder und Dorfmeister, das DJ Kicks Album, was eigentlich fast Lounge-Musik ist, aber ja, das prägt letztlich auch unseren Sound, dass, wenn wir zum Beispiel auch hart spielen, was wir auch mal machen, dann auch immer wieder versuchen zum Melodischen zurückzukommen. Wir haben schon häufiger überlegt, was eigentlich unser Sound ist, und kommen da gar nicht so eindeutig auf irgendein Schlagwort. Wir stellen halt immer wieder fest, dass wir relativ deep und rollend unterwegs sind, aber ansonsten auch gerne querbeet spielen. Das ist dann vielleicht auch das Charakteristikum, dass wir gerne querbeet spielen und auch mal so eine Art jump-uppiges Stück irgendwo reinpacken und danach kommt halt eine Liquidnummer. Aber ich glaub, der Kern ist eigentlich ein deeper Rollersound.

Trixter: Der Sound ist vielleicht nicht unbedingt der Härteste. Obwohl wir auch mal gerne hart spielen, aber dann ein Liquid Track zwischendurch, und immer wieder Amen Break, Techfunk - zusammengefasst Querbeet und deeper Rollersound, würde ich auch sagen.



Blasted promomix von Rodeo

Swat: Wichtig ist, dass sich die Zuhörer mit der Musik wohlfühlen. Es sollte nicht einfach nur hartes Geknüppel sein, sondern auch immer wieder ruhige und melodische Aspekte geben. Ich persönlich versuche, eine Sinuskurve zu fahren und das auch im Mix umzusetzen. Ich finde, dass viele DJs zu schnell zum Anschlag rasen und dort auch viel zu lange bleiben. Da kann sich der Zuhörer nicht entspannen und ein harter Track kommt ihm auch nicht besonders vor, weil es die ganze Zeit das gleiche ist.

Rodeo: Dementsprechend sieht’s auch in unseren Plattenschränken aus. Wir können zwar ein paar Labels nennen, wie Exit, Metalheadz —

Trixter: Soul:R!

Swat: Marcus my love halt.

Trixter: Ja, Marcus Intalex ist für uns ganz ganz hoch im Kurs.

Rodeo: Soul:R, ja natürlich alles was aus der Calibre-Ecke kommt, Signature... Aber letztlich haben wir auch echt viel V-Records gekauft. Und haben auch Dom & Roland Nummern und so weiter.

Trixter: Ich hab auch ein ganzes Abteil mit Virus zum Beispiel.

Rodeo: Da sind wir ziemlich divers unterwegs.

Trixter: Bei mir gab es auch eine Entwicklung. Früher, als dieser Jump-Up-Sound rauskam, hab ich ihn voll gefeiert. Ich hab auch viel Jump-Up gekauft, ich hab ganz viel True Playaz früher gekauft… Und die würde ich heute wahrscheinlich nur selten wieder anfassen. Also ich behalte die, das ist auch ein Teil meiner DJ-Entwicklung. Und mal kann auch eine True Playaz Track in einem Set richtig gut kommen, aber wirklich nur mit Bedacht sozusagen. Es gab halt so eine Entwicklung, wie zB früher viel Hazard...

Blasted: Mr. Happy???

Trixter: Ja, ich habe das Vinyl von Mr. Happy zu Hause und ich hab sie auch mega gefeiert als sie rauskam, so ist das ja nicht. Aber das ist eine Sache, die irgendwie mal eine Zeit lang gezündet hat, als dieser Sound total neu und frisch war. Ich hab dann aber nach einem Jahr gemerkt, OK, nee - ist jetzt doch nicht so frisch. Ich bin dann ganz hart auf diesem deepen Techstep hängengeblieben und würde auch sagen dass ich da jetzt grade so meine Hauptschiene fahre.

Swat: Ich bin inzwischen auch der Metalheadz näher als dem Wobble, definitiv. Wie Tom es gesagt hat, in Ausnahmesituation mal eine Wobbelscheibe rausholen, aber dann wieder mit dem „normalen“ Drum’n’bass weitermachen.

Blasted: Und verfolgt ihr neue Releases und die neusten Trends und so?

Rodeo: Ja, man hat so seine Anlaufpunkte, wo man weiß, bei Exit muss man regelmäßig vorbeigucken, oder Dispatch, die Labels, wo man weiß, dass der Sound passt, und häufig hangelt man sich dann irgendwo hin durch und landet bei einem anderen Label, oder entdeckt Artists wie Nausika oder sonst was, die noch nicht so lange am Start sind...

Blasted: Und gibt’s vielleicht Sachen, die ihr gerade so wirklich feiert von dem neuen Zeug?

Trixter: Ganz krass feiere ich gerade diese Astrophonica Dinge, Fracture. Ich würde jetzt nicht gleich das Schlagwort Jungle bringen, aber auf jeden Fall diese Drumfunk Richtung, dieses Trommelfeuer… Paradox hab ich jetzt auch erst für mich entdeckt, das fand ich eigentlich ganz krass, weil der schon so mega lange dabei ist, und das mit einem Sound, den ich Ewigkeiten nicht so wirklich auf dem Schirm hatte und nicht so wirklich verstanden habe. Und mit dieser Astrophonica-Nummer kommt aber auch jetzt Paradox für mich ganz krass ins Spiel.

Swat: Im Drum’n’Bass lass ich mich vor allem von aktuellen Sets inspirieren. Aber eigentlich investiere ich gerade mehr Zeit in mein anderes DJ-Projekt: “Lasse Zappeln”. Ich höre also viel Breaks, 2-Step und Garage, bevorzugt aus den Neunzigern, weil die Sachen halt geil sind und es in Berlin wieder am Kommen ist - vielleicht schon seit ein paar Jahren, und da ich das Zeug immer gefeiert habe, hab ich meine Selection da jetzt ein bisschen mehr auch in diese Richtung ausgebaut.


DIE VERY UNIMPORTANT VERANSTALTUNGEN


Blasted: Von Anfang an wart ihr als Veranstalter tätig. Wie waren die Anfänge außerhalb des Jugendklubs?

Swat: Unser erster Versuch war 2002 oder 2003 im Zentral, genau gegenüber vom ehemaligen VCF, zwischen S-Bahn Hackescher Markt und Alexanderplatz. Rodeo, Rollin MC, MC Do und ich haben damals zu viert diese Party bespielt. Es waren, ja keine Ahnung, zwischen 30 und 50 Leute da, wenn überhaupt. Wir hatten halt keinen Zugang, wir hatten keine Connections, wir haben an ein paar Orten unsere Flyer ausgelegt, sind sehr naiv rangegangen an die Sache, sag ich mal so.

Flyer von der ersten VUP Party in Berlin in damaligen Zentral Club in Mitte

Blasted: Danach folgte es eine Menge Parties. Studio 54 im Tacheles, Magnet, Panke, Parties mit Namen wie Total Science, Skeptical, Mark System oder Commix — gibt es da irgendwelche Highlights?

Rodeo: Unser Highlight ist schon die Klanggut-Reihe an sich, die im Studio 54 losging. (Die allererste im Oktober 2009 fand noch oben im Tachelesgebäude, im "5th Floor" statt, Bemerkung Blasted) Studio 54 war eine relativ kleine Bar im ehemaligen Tacheles, und da war es schon noch eine andere Nummer, als dann später mit Headlinern wie Skeptical und Total Science in der Panke, aber diesen positiven und warmen Vibe der ersten Parties haben wir versucht über die Jahre aufrechtzuerhalten. Sonst haben wir mal im MIKZ zum Beispiel eine Party gemacht mit Bassface Sascha und E.Decay, wir haben auch Sachen im Magnet und im Comet und hier und da gemacht, aber was uns wirklich wichtig war und was wir auch nach den Tacheles-Studio-54-Zeiten in die Panke getragen haben, war halt Klanggut. In der Panke haben wir uns dann gesagt, OK, wir würden schon gerne nicht nur local Sessions machen, die Klanggut soll Headliner haben, die wir selber gerne hören wollen, die wir selbst voll und ganz feiern. Und da hatten wir bis jetzt vier größere Parties mit den Namen, die du aufgezählt hast, und ich glaub, das sind schon für uns so absolute Highlights. Und nichtsdestotrotz, wir hatten auch sehr viele kleine Parties, ohne Headliner und mit vielleicht nur 50 Leuten auf dem Dancefloor. Aber die Leute, die da waren, haben letztlich so einen guten Vibe erzeugt, dass du immer noch positiv daran zurück denkst.

Flyer von den letzten Klanggut Parties in der Panke

Trixter: Also für mich waren diese Tacheles-Zeiten meine Highlights. Die ersten Klanggut im Tacheles. Da war ja auch nicht viel Platz, es war schon noch stark touristisch, aber da war auch immer noch eine Stimmung, die du manchmal in einem Klub gar nicht so hinbekommst. Die DJs standen nicht auf der Bühne, sondern ebenerdig, so dass das Publikum mit den DJs mehr im Kontakt war.

Foto von der Klanggut im Otober 2010 @ Stuido 54, Tacheles

Swat: Ich erinnere mich noch an diesen Abend, da gab es noch eine andere Drum’n’bass Party und wir wurden damals noch gefragt, ob wir vielleicht unsere mit denen zusammenpacken wollen. Aber wir hatten unsere DJs gebucht, Flyer gedruckt und alles war gefixt und haben es dann halt durchgezogen, mit der Angst, dass unsere Party nicht gut läuft. Und ironischerweise war das einer der besten Abende. Um halb eins, das war so unrealistisch, konnten wir niemanden mehr reinlassen, weil der Klub voll war. Und später kamen noch die Leute von der anderen Party dazu, weil die halt komischerweise total gefloppt ist, obwohl da ein Londoner gespielt hat.

Trixter: Wir dachten, bei uns wird’s halt leer. Wer war das nochmal? Zero T glaub ich sogar. Also ein DJ, den wir selber hart feiern. Wir dachten, OK, Scheiße, wird halt heute Abend nichts, die ganze Szene wird da sein.

Swat: Und die kamen dann später zu uns.

Foto von der ersten Klanggut, Oktober 2009 @ 5th Floor, Tacheles

Trixter: Und dann einmal gab’s einen, der ist mit einem Tisch gecrowdsurft. Der hat es echt geschafft, bei irgendwie hundertfünfzig Leuten, super eng und so, auf die Leute raufzuklettern, und ist dann die ganze Zeit getragen worden, zehn Minuten oder so.

Rodeo: Es war einfach eine sehr spezielle Mischung. Ein Stück weit waren es die Touristen, die eine bestimmte Stimmung mitbringen, dieses bedingungslose Feiern wollen, jetzt und hier. Dazu entspannte Locals und das alles kommt dann zusammen an einem ganz besonderem Ort, dem Tacheles.

Der Poster zu der ersten Klanggut, Oktober 2009 @ 5th Floor, Tacheles

Swat: Und das war uns alles gar nicht so bewusst. Bei der Suche nach neuen Locations ist uns immer wieder aufgefallen, verdammte Axt, wir saßen am besten Ort und jetzt, erst wo er nicht da ist, fällt uns auf, dass es so etwas gar nicht noch mal gibt.

Blasted: Sonst macht ihr auch jedes Jahr bei diesem Stadteilfest in Dresden mit, "Die Bunte Republik Neustadt". Könnt ihr was dazu sagen?

Swat: Das ist immer ein wunderschöner Ausnahmezustand in Dresden. Ein Freund von uns ist damals nach dem Studium nach Dresden gezogen, dadurch haben wir das kennengelernt, und dadurch, dass er, ein Glück, auch da wohnt, und auch noch einen Balkon im ersten Stock in einer der Hauptstraßen hat, haben wir die Möglichkeit seit 2007, oder vielleicht 2006, uns da zu engagieren. Jedes Jahr bauen wir da Anlage und Turntables auf und machen da über das Wochenende die Session, und wenn die Leute da unten stehen und du musst irgendwann die Mucke ausmachen, weil die Bullen da sind und die Leute brüllen “Zugabe!”, dann ist das schon jedes mal wieder ein Highlight.

Bunte Republik Neustadt, Dresden

Rodeo: Da ist ein größeres Gebiet abgesperrt, wo dann die Anwohner vor ihrer Haustür irgendeinen Stand oder irgendwas machen können, und wir legen halt auf, und wir spielen auf dem Balkon und haben die Anlage unten und der MC steht auch unten und als DJ steht man auf dem Balkon in der ersten Etage und guckt nach unten auf die Straße, was gleichzeitig der Dancefloor ist.

Bunte Republik Neustadt, Dresden

Blasted: Es ist zwei Jahre her seit der letzten Klanggut. Können wir uns bald auf weitere Klanggut Parties freuen?

Rodeo: Die nächste Klanggut ist schon in Planung und wird im Herbst stattfinden. Wir wollen natürlich an das anknüpfen, was wir die letzten Parties in der Panke gemacht haben. Und ich denke, das können wir mit dem nächsten Booking definitiv - wird aber noch nicht verraten wer das ist… Also, Augen offen halten!


SZENEENTWICKLUNGEN IN BERLIN


Blasted: Wie beobachtet ihr die Entwicklungen in der Berliner Drum’n’bass Szene? Rosi’s hat zugemacht, Klangbiotop gibt’s nicht mehr, Stereo 33 ist vorbei, GD-Sessionz gibt es erstmal auch nicht, dafür gibt’s aber eine neue Partyreihe im Humboldthain, sonst gibt’s die neue FB-Seite DNB in Berlin… Wie nehmt ihr die Veränderungen wahr?

Trixter: Gerade Klangbiotop war noch mal so eine Sache die echt hervorgestochen ist, durch diese sehr mutigen Bookings, wo du dir nicht unbedingt sicher bist, ob du jetzt damit genug Leute ziehst, wobei sie sehr speziellen und qualitativ hochwertigen Sound geliefert haben. Aber dass es in Berlin immer so ein Auf und Ab gab, das ist jetzt auch nichts Neues. Du hattest in Berlin häufig mal so einen Zustand “drum’n’bass ist voll mega krass“, dann gab’s schon mal so ein Loch, wo man das Gefühl hatte, OK, „Drum’n’bass ist jetzt tot“, und dann kam es aber nochmal wieder, dann gab’s auf einmal neue Veranstalter, die auch zugezogen sind und dann viele Parties gemacht haben, und dann gab es wieder eine Rückgangsphase. Deshalb hab ich jetzt kein per se negatives Gefühl. Ich bin eher gespannt, was jetzt noch kommt.

Rodeo: Auf der einen Seite hast du sehr positive Entwicklungen wie zum Beispiel Survey, die Berlin international representen und voll am Start sind. Und es gibt inzwischen immer mehr internationale Acts, die nach Berlin gezogen sind. Dann hast du auch viele Sachen, die vor allem den Austausch zwischen verschiedenen Stilen und Szenen suchen. Im Ohm gab’s durch Presha (und seine Samurai Music Parties, Bemerkung Blasted) zum Beispiel einen ganz anderen Einschlag, der letztlich irgendwie independent ist, aber seine Spuren am Ende auch wieder in der „Kernszene“ hinterlässt. Ich sehe das also eher entspannt, auch wenn man irgendwie traurig sein kann, wenn gute Sachen wegfallen, Klangbiotop zum Beispiel. Aber sobald irgendwie musikalisch was Frisches passiert, wird das dann immer auch in neue Veranstaltungen umgesetzt. Da finden sich immer wieder Leute und immer wieder Orte, wo was gemacht wird. Von daher bin ich da insgesamt nicht so pessimistisch. Und mit der noch relativ frischen Initiative „DNB in Berlin“ gibt es in Zukunft vielleicht auch wieder so eine Art gemeinsame Plattform, welche die Leute noch stärker zusammenbringt und für Austausch untereinander sorgt. Und ich glaub, man muss auch die kleineren Sachen erwähnen. Wie Deviate oder die Skrrr Skrrr Parties in der Panke zum Beispiel, alles, was meist auch ein bisschen diverser ist, nicht nur Drum’n’bass. Das alles gibt der Bassmusik in Berlin deutlich Schwung. Oder zum Beispiel Dub Isotope, der super engagiert ist, diese Sachen halt, die das wöchentliche Geschäft am Laufen halten, wie im Wendel, oder was es im Stereo 33 gab, das ist jetzt vielleicht aus der Sicht vieler nicht nicht so relevant, weil nicht so groß. Aber letztlich sind das halt auch die Orte, wo die Leute, die selber Veranstaltungen machen oder selber Auflegen, sich gegenseitig austauschen und inspirieren lassen. Auch wenn es alles manchmal so ein bisschen vereinzelt wirkt, hab ich das Gefühl, da geht auch in Zukunft noch einiges.

Swat: Früher war vieles für uns ja noch Neuland, was es zu entdecken gab, und dann konnte man irgendwann auf alles zurückblicken und dann kriegt man erst diesen emotionalen Gedanken, oh fuck, war das da geil, das gibt es nicht mehr und so. Das hat vielleicht die junge Generation gar nicht, die gehen da völlig frisch ran, die gehen dahin feiern, wo es gerade geht, und davon kann natürlich jeder Veranstalter profitieren, der jetzt dem Zeitgeist entsprechende Parties anbietet.

Rodeo: Es ist echt unmöglich alle aktiven Crews und Veranstalter aufzuzählen, die hier eigentlich noch erwähnt werden müssten. Und das ist doch eigentlich ein gutes Zeichen dafür, was in Sachen Drum’n’bass und Bassmusik gerade alles so geht in Berlin.


27. APRIL 2019 - VUP ZU GAST BEI BLASTED


Blasted: Und jetzt am 27. April, dunkler Keller, zwei Boxen, niedrige Decke, … was habt ihr vor?

Swat: Wir sind vorbereitet!

Rodeo: Wir hatten gedacht, dem Ort entsprechend sollten wir unsere Laptops mal wieder beiseite packen, in den Keller zu unseren Platten gehen und eine schöne Vinyl-Session raushauen. Ich glaub, das ist genau der richtige Ort für eher midschooligere Sachen, die wir länger nicht gespielt haben und die es dann mal wieder von einer echten physischen Platte zu hören gibt.

Blasted: Top. Danke fürs Interview und bis bald im Lauschi!

Text: Agem. April 2019

VUP cru zu Gast bei Blasted am Samstag 27/4/2019 @ Lauschangriff
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“WAS POSITIVES TRANSPORTIEREN” - INTERVIEW MIT DUFF (REFLOAT, DE)

[Februar 2019, Berlin] Wir sitzen im Eck in einer Bar im Friedrichshainer Nordkiez, wohin DJ Duff mit seinen Freunden losgezogen ist, um die Möglichkeiten zu erkunden, dort mit der Drum’n’Bass Dienstagssession “Refloat” weiterzumachen. Refloat, ein etablierter Bestandteil der Berliner Drum’n’Bass-Szene, hat vor drei Monaten im November 2018 ihr Zuhause nach vielen Jahren verloren, als die Bar Stereo 33 am Boxhagener Platz plötzlich zumachen musste. “Die Sache ist für mich noch nicht gestorben. Ich bin auf der Suche nach einem Ort, wo das wiederbelebt werden kann. Ich glaube, da haben wir in der Stadt, in dem Kiez hier genug Möglichkeiten, hoffe ich jedenfalls…” sagt Duff dazu. So wie damals im Stereo wird auch hier im Nordkiez das Pilsner Bier sorgfältig gepflegt und unpasteurisiert aus dem Tank gezapft. Ob die Location, in der — wie so oft in Berlin — langsame gerade Beats das Tempo angeben und die Atmosphäre bestimmen, für Refloat 2.0 geeignet ist, bleibt allerdings dahingestellt. Wir reden über die alten Zeiten im Stereo und davor, als Duff Mitte der Neunziger dem Drum’n‘Bass verfallen ist.

Duff spielt mit uns am 22/2/2019 @ Lauschangriff - FB event



Kannst du uns was über deinen Weg zu Drum’n’Bass und erzählen?

Irgendwann Mitte der neunziger Jahre schwirrte dieser Jungle Sound rum, und ich hab das irgendwie aufgeschnappt und hab dann angefangen nach bestimmten Sachen zu suchen, in Musikläden, nach bestimmten CDs damals noch. Im Fernsehen lief damals eine Doku, „Lost in Music – London Jungle“, in der die wichtigsten Protagonisten der Szene in England vorgestellt wurden. Da war Hype dabei, du hattest Kemistry und Storm, du hattest Goldie und all die Leute. Metalheadz war ein großes Thema, Source Direct war ein großes Thema, und nach diesen Sachen hab ich angefangen zu suchen, und eine der ersten CDs, die ich gehört hatte, war die erste Platinum Breakz (Metalheadz, 1996). Und über solche Sachen bin ich immer näher an die Musik gekommen. Und dann Anfang 1997, da war das Icon ganz frisch in der Cantianstraße. Ich war relativ früh bei diesen Veranstaltungen und fand es total cool. Irgendwann im Laufe des Jahres gab es einen DJ-Workshop auf der Insel, und da hab ich das Auflegen gelernt. Und so bin ich in die Sache reingekommen.




Auf der Insel der Jugend?

Genau, in Treptow. Damals war die Insel der Jugend ein wichtiger Club. Da gab’s Veranstaltungen, da war die ganze Brücke auf die Insel rüber voller Menschen, die in den Laden rein wollten. Nach dem DJ-Workshop, bei dem ich übrigens auch Sinista kennengelernt hab, fingen wir zusammen an, ein paar Veranstaltungen als Steppaz Convention zu machen, da war ich am Anfang auch mit dabei. Wir haben uns dann irgendwann aus den Augen verloren und die Steppaz Convention Sache ging weiter und wurde immer größer. Aber so fing es für mich an.


Das muss irgendwie Ende der Neunziger gewesen sein.

So um ‘98 rum ist das gewesen.




Und wie war das Icon damals?

Es war der wichtigste Club damals für Drum‘n‘Bass. Bevor Hard:Edged ins WMF gezogen ist, war das Icon das Wichtigste. Ich kann mich erinnern, die fetten Parties kamen dort damals Schlag auf Schlag. Am Donnerstagabend war eine Progression Session mit Blame, mit LTJ Bukem, mit MC Conrad, und am Samstag hat Grooverider gespielt. Ich hab das damals alles mitgenommen.


Du hast schon die Platinum Breakz genannt, gab es sonst Musik, die für dich von entscheidender Bedeutung war?

Also ein absoluter Einsteiger in diese Sache war auch die DJ Kicks von Kruder und Dorfmeister (Studio !K7, 1996). Die haben ganz viele Sounds in dem Mix angespielt, die mir gefallen haben. Und da ist auch einer der für mich nach wie vor geilsten Tracks aller Zeiten drauf, was Drum’n’Bass angeht: JMJ & Flytronics - In Too Deep (Moving Shadow, 1996). Also bis heute einer der schönsten überhaupt für mich.




Ich weiß, du hast auch Sachen in deiner Sammlung gehabt wie Stakka & Skynet, Clockwork LP. Hast du dann auch zu dem härteren Sound deinen Weg gefunden?

Ja, na klar. Übers Icon, auch übers Radio, es gab zu der Zeit noch Radio Massive bei Kiss FM. Da bin auch an die härteren Sache sozusagen gewöhnt worden, hab die auch gern gehört, auf jeden Fall… Dilinja zum Beispiel war für mich immer absoluter Favourite. Dom & Roland auf jeden Fall.


Wie ging es dann weiter nach der Steppaz Convention?

Bevor ich angefangen hatte, regelmässig bei Refloat zu spielen, war ja nichts Stetiges. Aber ich bin der Musik immer treu geblieben, ich habe mich nach wie vor interessiert, was passiert, ich habe verfolgt, was kommt raus so, wohin entwickelt sich die Musik, das ist mir immer wichtig gewesen, das mitzuverfolgen.


Und wie kam dann dein Einstieg bei der Refloat Crew zustande?

Ich kenne DJ Stone, der von Anfang an dabei war, schon seit langer langer Zeit, und wir waren sowieso Kumpels, und dann haben wir einfach diese Begeisterung für Drum‘n‘Bass gemeinsam bei den Refloat-Sessions zelebriert. Bis das Stereo vor ein paar Monaten leider schließen musste, hat es mir immer großen Spaß gemacht, dort zu spielen. Ich hab mich immer wieder auf die Leute gefreut, die vorbeikommen. Denn es hat mir immer mehr Spaß gemacht, die Musik für Leute zu spielen als nur für mich selbst. Es ist eine andere Motivation.


Als ich dich damals kennengelernt habe, hast du neue Musik digital gespielt. Bei den letzten Abenden hast du wiederum nur alte Platten aufgelegt. Was hat sich da für dich in dieser Hinsicht geändert?

Für mich war es immer wichtig mitzubekommen, wie sich die Musik weiterentwickelt. Klar, früher, in den Anfangsjahren, als man Platten gekauft hat, da hab ich immer geschaut, die heißesten Dinger im Plattenladen zu bekommen, die, die schnell vergriffen waren, bestimmte Platten, die einfach unglaublich gerockt haben. Aber dieser Drang, solche Platten haben zu müssen, ließ irgendwann nach. Aber dieses Interesse dafür, wie entwickelt sich der Sound weiter, das ist immer da geblieben. Wo passiert was Interessantes, wo passiert was Innovatives. Und in den letzten Jahren kam noch ein großes Interesse für die alten Sachen dazu, vor allen Dingen für die Sachen, die in der Zeit rauskamen, als ich mit dem Auflegen angefangen hab. Ich hab vieles zu Hause auf Vinyl, aber auch nicht alles. Und weil ich auch ziemlich gerne digital auflege, weil das einfach bestimmte Vorteile mit sich bring, hab ich irgendwann angefangen, wie wild nach diesem alten Kram in digital zu suchen. Ein paar Labels haben ja in den letzten Jahren nochmal ihren alten Kram digitalisiert und in guter Qualität neu rausgebracht. Das war eine Zeit, in der in der Musik nach meinem Gefühl unglaublich viel los war, unglaublich viel ging, unglaublich viel ausprobiert wurde, und man auch in den Clubs viel experimentelleren Kram gehört hat. Wir hatten hier in Berlin eine Szene damals, die stark von Leuten geprägt war, die sich für so einen Kram interessiert haben, die Junglemania-Leute, die auch bei Radio Massive bei Kiss FM dabei waren. Leute also, die auch viel Reinforced-Sachen zum Beispiel gespielt haben und von anderen Labels, bei denen die Weiterentwicklung des Sounds immer im Vordergrund stand und nicht einfach nur irgendeinen Hit zu produzieren, der sich gut verkauft. Dieser Idee bin ich verhaftet geblieben. Ganz abgesehen davon finde ich diese alten Sachen teilweise einfach wunderschön. Das fehlt mir heute ehrlich gesagt oft, dieses Verspieltere, diese Musik, die einfach so einen positiven Vibe hat.




Verspielteres, sagst du…

Ich würde es schon so bezeichnen. Mit verspielt meine ich, dass in den Tracks mehr experimentiert wird, wie bestimmte Sounds miteinander funktionieren, was kann man mit den Beats machen, was kann man mit Keyboardsounds, mit Basslines machen. Ich glaube, da ist damals viel ausprobiert worden.


Kannst du vielleicht was von der neueren Musik nennen, was dein Interesse geweckt hat, was du verfolgst?

Was ich immer ganz aufmerksam verfolge ist, was auf Exit Records passiert, was dBridge macht. Was mich auch sehr interessiert hat, was aber selbst in der Bar auch manchmal schwierig zu spielen ist, sind Sachen von ASC, auf Auxiliary.


Hast du dir schon überlegt, was du im Lauschi am 23. Februar auflegen wirst?

Ich glaube, ich werde auf jeden Fall irgendwelche Sachen versuchen zu spielen, die die Leute gut in den Abend eingrooven. Die den Leuten Lust aufs Tanzen machen sollen. Das ist die Idee. Und mal Gucken, was ich mir dabei ausdenke.


text: agem




INTERVIEW MIT AKIRA (LET IT ROLL, SHADOWBOX.CZ, DEADLY VIPERZ)

Akira ➥ @Soundcloud ➥ @Instagram

[Oktober 2018, am Telefon, Berlin - Karlsbad] DJ Akira aus Karlsbad im Westen Tschechiens ist eine der Säulen der tschechischen Drum’n’Bass Szene. Von Gaststätten in Kleinstädten bis zum Let It Roll Open Air Festival, Akira bereist seit fast zwanzig Jahren das Land und verbreitet seine Liebe für die gebrochenen Beats. Er ist bekannt für seine eklektische und dynamische Selektion, seine Art mit dem Publikum in Kontakt zu gehen, kann man als geradezu legendär bezeichnen. Am Samstag kommt er als DJ zum ersten Mal nach Berlin und spielt mit uns im Lauschangriff zu der Vierjahresgeburtstagsfeier von Blasted. Ich habe ihn interviewt, um ihn dem Berliner Publikum ein bisschen vorzustellen…



Wie hat es für dich mit dem Auflegen, mit Drum’n’Bass und so angefangen? Ich weiß, es war noch in den Neunzigern und es war auch ein Haufen Trip Hop dabei.


Ich habe angefangen beides auf einmal zu hören, Drum’n’Bass und Trip Hop. Aber dem Trip Hop bin ich so um 1996 wirklich verfallen. Es gab wohl so gut wie kein Internet damals, das heißt ich hab auf MTV verschiedene Remixes gesehen, unterschiedliche Tanzmusik. Und diese Remixes gab es damals nur auf Platten. 1997 bin ich dann mal nach London gereist und da hab ich gesehen, dass es voll die geile Musik gibt auf Vinyl, aber nur auf Vinyl. Keine CDs, nichts. Und dann hab ich mir Geld ausgeliehen für meinen ersten Omnitronic Plattenspieler und hab angefangen mir Platten zu besorgen. Erstmal wollte ich kein Drum’n’Bass auflegen. Die ersten Sachen, die ich gekauft habe, das waren eher so Deep House, Acid Jazz, Breakbeat und Triphop. Ich mochte Portishead, Massive Attack, Tricky, Krush, DJ Shadow und so Zeug. So fing es an.




Das heißt du hast dir Platten aus dem Ausland besorgt?


Der erste Einkauf war in Prag. Und dann hab ich angefangen nach Deutschland zu fahren, da gab es diesen geilen Laden, WOM hieß es, World of Music. Und da gab’s alles, eine unglaubliche Auswahl an Platten. Ich kann mich noch erinnern, als Clockwork von Stakka & Skynet rauskam, die hatten da 20 Stück davon eingequetscht im Regal. Da hab ich mich immer mit Trip Hop beschäftigt und daneben gab es tonnenweise Jungle. Irgendwann hab ich etwas von Goldie gehört und die allerersten dnb-Platten, die ich mitgenommen habe, waren dann Ed Rush & Optical - Watermelon und Adam F - Brand New Funk. Und seitdem hab ich dann nur Drum’n’Bass nach Hause geschleppt und bin der Musik komplett verfallen. Das muss Ende 1998 gewesen sein. Dann kamen Tunes wie Gas Mask, Bacteria, hey, als ich das zum ersten Mal gehört habe, dachte ich, die Welt ist zu Ende. Und dann kam Armagedon LP raus, ein Jahr später, Bad Company - Inside the Machine, Wormhole war schon raus, Sleepwalk von Matrix, Bad Company auf Virus, Ram, Ram Trilogy, Kridian EP, da konnte ich nicht mehr aufhören, das war schon eine Sucht.




Und wie haben damals Leute auf deine neue Musik reagiert?


Damals hat sich hier in Karlsbad keine Sau für Drum’n’Bass interessiert. Was heißt hier in Karlsbad, nirgendwo, nirgendwo hat sich jemensch für Jungle interessiert außer Prag. Es gab was in Brünn, etwas in Ostrava, Pilsen, sonst nichts. Man nannte das damals “Pikodrumy” (etwa Meth-Drums). Das einzige was so die Leute noch ertragen konnten war so LTJ Bukem und diese alten Stücke. Die Jungen wussten gar nicht wie man dazu tanzen soll. Aber ich konnte nicht mehr aufhören und so musste ich dann so zwei Jahre überstehen. Ich hab Leute von der Tanzfläche vertrieben, hab in Clubs gespielt, wo mir gesagt wurde, hier spielst du nie wieder mit so einer Musik und so weiter. Und dann hat sich der Wind irgendwie gedreht gegen 2000, 2001, da hab ich dann angefangen wie ein Verrückter das ganze Land zu bespielen. Plötzlich haben mich die alten Clubs, die mich damals nicht mehr wollten, wieder angerufen und mir Geld fürs Auflegen angeboten und mich gebeten, dass ich da wieder Musik mache. Da war dann plötzlich alles anders. Und seit dem leg ich im Grunde non-stop auf.




Das heißt du bis so zu sagen seit 2001 auf Tour?


Ich hatte eine dreimonatige Pause, bin so ein bisschen zusammengebrochen 2013, ausgebrannt, eben weil ich jahrelang wie ein Schwein zu mir war, ging zur Arbeit, hab zwölfmal im Monat aufgelegt, gleichzeitig mich um alte Frauen in der Anstalt gekümmert, dies und das gemacht, Familie, dazu bin ich so ein bisschen neurotisch, das hilft auch nicht. Dann kam so ein Blackout, seitdem mach ich einiges anders. Aber trotzdem merkt man immer wieder, dass man die gleichen Fehler macht. Aber jetzt spiele ich so fünfmal im Monat, das ist super.


Was treibt dich nach all den Jahren immer noch an?


Die zwei wichtigsten Sachen: Es gibt immer noch unglaublich viel gute Musik, wenn man sich damit auseinandersetzt, findet man immer noch Schätze. Aber vor allem, wenn ich hinter dem Mischpult stehe, alles geht zur Seite, alles geht weg, es gibt nur das Auflegen und der Rest verschwindet. Und das ist ein unbezahlbares Gefühl. Immer noch nach all den Jahren. Der Kopf wird frei, für die eine zwei Stunden mindestens.


Übrigens, ich hab irgendwo gehört, dass du nie eine komplette Anlage zu Hause hattest. Wie hast du dann das gelernt?


Hab ich immer noch nicht. Hab nur einen Technics. Dieser Technics ist jetzt bei einem Freund, D-Resist, geparkt, bei dem ich auch gelernt habe. Ich kann mich noch erinnern wie leidlich seine Mutter immer wieder wurde, als sie mich mit der Riesentasche ankommen sah. Aber vor allem hab ich beim Auflegen gelernt. Denn wir waren am Anfang recht wenige, das heißt schon damals 2000 haben wir wirklich viel aufgelegt, in verschiedenen Bars, Clubs, Diskotheken, auf Soundsystem-Parties. Ich war am Anfang nicht so gut, hab einfach beim Auflegen gelernt. Und ich bin so ein Trainspotter, wenn mir was Spaß macht, dann lass ich nicht los. Ich hab die Musik auch in der Schule damals gehört, auf der Arbeit, ständig, ich wollte, dass es mein Gehirn zu verstehen lernt, auf die Weise, wie ich es brauchte. Es hat mir dann sehr geholfen, dass ich mir die Plattenspieler für zwei Wochen nach Hause ausgeliehen habe. Das war noch bei den Eltern in der kleinen Wohnung, da saß ich die ganze Nacht auf dem Stuhl, Kopfhörer an, weil alle schliefen, und hab einfach Platten gemischt. Hin und zurück, hin und zurück.


Du spielst seit 13 Jahren back2back mit Anakin als “Deadly Viperz”, außerdem auch immer wieder mit anderen DJs back2back. Wie siehst du den Unterschied zwischen Soloauflegen und back2back?


Es ist ganz anders. Wenn ich alleine auflege, versuch ich immer eine Art Geschichte aufzubauen. Ich bereite mir meine Sets nie vor, aber ich überlege immer mit welchem Track ich anfange. Da denk ich schon auf dem Hinweg im Auto darüber nach, hab dann vielleicht so drei Kombinationen im Kopf, was wird der Introtrack sein, was ich da reinmische. Der Rest entsteht dann rein spontan vor Ort. Wenn ich mit jemandem zusammen auflege, ist es was anderes. Ich kann zwar auch das Intro machen, aber man muss gucken, was der andere spielt. Und ehrlich, ich hab mehr Spaß dabei. Erstens muss ich mich nicht hetzen, ich kann mir in Ruhe überlegen, welche zwei Tracks ich spiele, während der Andere dran ist. Ich finde es macht oft auch mehr Sinn, um so mehr, wenn man mit der anderen Person gut eingespielt ist. Aber es gibt recht wenig Leute für back2back, weil da muss man verstehen, dass man zu zweit ist und nicht alleine. Kann ich vielleicht an einer Hand abzählen.


Und was sagst du zu dem Jungle-Comeback, was wir gerade erleben? Ich weiß du bist voll der Fan von der kommenden Chase & Status Platte “Return II Jungle”…


Ehrlich, sobald sie das Releasedate angekündigt haben, werde ich anfangen die Tage zu zählen. Ich bin ein Riesenfan von Chase & Status schon seit ihren Anfängen. Die haben doch auf Renegade Hardware angefangen wo sie die brutalsten Tracks rausgehauen haben, die schon damals die Tanzflächen gesprengt haben. Ich mag auch Grime, Hip-Hop, Bass House und so Zeug, und das alles machen sie ja auch, auf einem wirklich professionellen Niveau. Wenn ich mitgekriegt habe, dass sie nach Jamaica fliegen um da eine Platte aufzunehmen, war mir schon quasi klar, dass da nichts schiefgehen kann. Ich verfolge alle Sets, die sie jetzt veröffentlichen und lauere nach den neuen Tunes. Es ist alles so heftig, so viel Bass, Hammertracks wirklich. Und Retreat ist soweit der Track des Jahres für mich. Er hat alles was ein Jungle Track haben soll, und der Klang ist voll krass, das verstehe ich gar nicht, den Klang, verstehe gar nicht.




Wie reagiert das Publikum, das teils ja diesen Sound von früher gar nicht kennen kann?


Auf Retreat super, schon wegen dem Clip denk ich. Aber ich spiele schon seit mehr als einem Jahr jede Menge Jungle. Bei Jungle sind halt die catchy Riffs geil, auch in den alten Sachen. Und das kommt an. Und auch die Vocals, oft gesamplet aus alten Reggae-Tunes. Das kommt ganz gut an, muss ich sagen. Ich spiele so vielleicht drei Jungle Tracks und hau dann was von Alix Perez oder sowas dazu, damit es nach vorne geht, das macht richtig Spaß es zusammen zu mischen, Deep und Jungle passt perfekt zusammen, die gebreakten Beats mit dem geraden Beat von Deep, es klingt sehr energisch zusammen. Also soweit bin ich recht zufrieden mit dem jetzigen Stand. Und außer Chase & Status ist Benny L voll der Held des Tages. Das ist der König von diesem Sound.


Und außer Jungle, was macht dir gerade Spaß? Du hast Deep erwähnt…


Ich gehe jetzt voll bei den Italienern ab. Bin voll da hängen geblieben, auf der italienischen Welle. Number One ist jetzt Kiril für mich. Kiril finde ich jetzt den besten Produzenten von diesem düsteren rolling-deep-Sound. Dann Synth Ethics, Was A Be, alle aus Italien. Critical ging jetzt in den letzten zwei Jahren wieder schön gut aufwärts, ich mag auch Bredren, die Sachen von Spirit, die er noch rausgebracht hat, bevor er gestorben ist. Am meisten mag ich Rollers mit klarem Beat und einem rollenden Bass. Ich bin es nie satt, das mag ich wirklich sehr.




Wie ist es mit dir und Berlin, der Hauptstadt von Techno?


Ich bin erst vor zwei Jahren zum ersten Mal in Berlin gewesen, obwohl ich 37 bin. Hab jetzt seit drei Jahren eine neue Freundin, und mit ihr reise ich jetzt ein bisschen mehr. Weil davor war das eben nur Auflegen, Auflegen, Auflegen. Ich hab dann mit 35 gemerkt, dass ich nie in Budapest war, nie in Amsterdam, nie in Berlin, in Norwegen, und wollte eben ein bisschen was sehen. Es war so ein spontaner Ausflug, ich bin nach dem Auflegen aus Pilsen über Prag nach Aussig gefahren, da haben wir vielleicht zwei Stunden geschlafen und fuhren weiter nach Berlin. Von Samstag früh bis Sonntag Abend waren wir dann in Berlin, ich war voll geflascht, voll begeistert von der Stadt. Ich fand das Brandenbruger Tor toll, Alexanderplatz, ich fand Kreuzberg toll, wir sind vielleicht 16 Kilometer am Tag gelaufen, ich fand es voll geil die Atmosphäre einzusaugen. Und obwohl ich jetzt nur für die Nacht komme, weiß ich, dass ich aus dem Zug aussteigen werde und das alte Gefühl ist wieder da. Und sonst wollen wir mit Freunden aus Karlsbad mal zu einer ordentlichen Techno Party ins Tresor, abends hin und nach der Party wieder nach Hause. Das steht auch noch irgendwann an.


Was hast du dir musikalisch für Samstag überlegt?


Bin noch am gucken. Freue mich sehr, dass es auch CDJs gibt. Ich pack so 50 Platten mit Classics rein und dazu tonnenweise das neue rollende Deep. Und dann schau ich vor Ort, was passt.


Und wirst du mit uns im Lauschangriff Absinth trinken?


Wenn ihr Absinth trinkt, trink ich auch einen. Aber nur einen, weil sonst krieg ich da keinen Mix hin. Absinth nur einen.


text: agem





INTERVIEW MIT UUMM (BASSPORT, GRAND HAND)

[Oktober 2018, Berlin]

Mit Wurzeln in Norddeutschland, aufgewachsen im Süden, seit 1988 Jahren lebt und feiert er in Berlin. DJ Uumm verkörpert als DJ die Grundidee der Blasted Party: Nach vorne gehend, ungeschminkt, gebrochen, hart. Und vor allem nach vorne gehend… Am Samstag wird er schon zum fünften mal als Gast DJ dabei sein und gehört somit quasi zur Familie. Ich hab ihm ein paar Fragen gestellt zu den alten und neuen Zeiten…



Wie hat es denn für dich mit Drum’n’Bass angefangen?

Ich bin vorher immer viel zu Techno weggegangen, gerade Ende Achtziger, Anfang Neunziger war sehr viel Techno. Und dann bin ich so Mitte der neunziger langsam weg von Techno. Ich weiß gar nicht ab wann genau, es ging so übergangslos. Ich bin immer mehr zu jungle/dnb weggegangen und nachher wollte ich nur noch zu dieser Musik weggehen. 1996, 97, 98 hatte ich dann mit ein paar Leuten zusammen eine Art Club, wo wir auch tatsächlich schon jungle-Parties gemacht haben.


Was war das?

Wir hatten an der Humboldt-Uni in der Kulturwissenschaft sozusagen eine Schnittstelle zur Öffentlichkeit, also Schnittstelle inneruniversitär/außeruniversitär und Experimentierfeld. Das war oft wie ein Club, da haben wir auch Parties gemacht. Er hieß Kulturbaracke oder auch K-Club und war direkt am S-Bhf. Hackescher Markt, wo jetzt die Straßenbahnhaltestelle ist. Es war eine alte Barracke aus der DDR-Zeit, die stand da mit so einem riesigen Sportplatz. Irre. Als das später abgerissen wurde, haben wir lange gesucht und endlich in der Monbijoustraße nochmal so was von 2000 bis 2002 gemacht. Auch sehr zentral. Direkt am Monbijoupark. Da haben wir auch etliche drum’n’bass-Parties gemacht.


Und was ist damit passiert?

Nach der Zeit haben wir gedacht hey jetzt reicht’s. Das ist super anstrengend einfach. Wir haben es dann an andere Leute übergeben, die dann weiter dieses Konzept, diese Schnittstelle, weitergefahren sind, und jetzt hab ich gerade vor drei Wochen gehört, das gibts immer noch, diese Schnittstelle von innenuniversitär und außeruniversitär. Die Räume, die wir damals akquiriert haben in der Monbijoustraße! Irre. Ist ja fast zwanzig Jahre her.


Wo sonst in Berlin war damals Drum’n’Bass zu hören?

Es waren so die richtigen Underground-Clubs. Gerade in den Neunzigern waren das vor allem die illegalen Clubs, die es damals gab. Ich kann mich noch an den Club for Chunk in der Rosenthaler Straße erinnern. Aber auch legale wie der Rote Salon, montags, legendär.


Roter Salon neben der Volksbühne???

Genau, da, montags immer. Das war total geil. Montags, an einem Tag wo sonst nichts ist, sind immer alle hingekommen. Dieser Montag hatte das Musikgefühl irgendwie so wunderbar durch die Woche getragen. Da hab ich auch dann so die ersten dnb-Leute überhaupt kennengelernt.


Wann und wie hast du dann mit dem Auflegen angefangen?

Ich lege erst seit zehn Jahren auf oder so. Ich hab mir einfach irgendwann mal ein paar Platten gekauft. Dann gabs da so eine Veranstaltung, die nannte sich DJ Everybody. Da war eine Kiste Bier und jeder konnte sich in so einen Zettel eintragen, der auflegen wollte. Jeder konnte dann vielleicht eine viertel Stunde tatsächlich vor Publikum auflegen. Ich glaub da hab ich zum allerersten Mal aufgelegt. Im Acud-Club.


Das heißt du hast Platten gekauft mit der Absicht irgendwann dann aufzulegen?

Die ersten Platten hab ich einfach nur gekauft, weil ich diese Musik immer wieder hören wollte.


Was war das, weißt du noch?

Ich weiß noch die Platten, aber ich weiß nicht wie die heißen. Ich kann dir die Platten mal zeigen.


Das ist mir schon früher aufgefallen - du kennst die Musik, aber weißt nicht, wie die Sachen heißen, oder? Woran orientierst du dich dann? An dem Aussehen?

Ja so wie es sich anhört und natürlich bei der Scheibe weiß ich dann, wenn sie so und so aussieht, dann ist es die. Manchmal vergesse ich ja auch wie die klingt, dann horch ich kurz rein und dann fällt’s mir aber sofort wieder ein.


Das heißt mit white-labels bist du dann verloren?

Dann weiß ich, da in der Ecke ist die Ecke ab, oder da ist so ein kleines Kreuz drauf, sowas weiß ich dann. (lacht)


Du bist ständig unterwegs auf Parties.

Ja so ich glaub im Schnitt so dreimal die Woche oder so. Und das auch schon seit dreißig Jahren. Oder seit vierzig (lacht).


Überwiegend, oder nur drum’n’bass, oder wie?

Jetzt so in letzter Zeit ja. Fast nur drum’n’bass.


Und was ist so dein Gefühl von der Szene in dem jetzigen Moment?

Jetzt macht Rosi’s zu, jetzt gibts die Party im about:blank nicht mehr, also jetzt entsteht gerade so eine Lücke, mal gucken wie es weitergeht, mal gucken wie die Lücke wieder gefüllt wird.


Und was die Musik heute angeht, kaufst du noch Platten? Was? Und was wirst du am Samstag spielen?

Im Moment kauf ich relativ viel Jungle, Ich mag gebreakte Sachen. Liquid nicht so, eher wenns nach vorne geht und Platten, die ein bisschen härter sind. Und dann noch ein paar bunt gemischte wenn wir später b2b spielen wollen… Gucken wir mal.


text: agem